Anja Bräger mit Oskar vor dem Schloss Maxlrain |
Es ist die Nacht von Freitag auf
Samstag. 01.30 Uhr, Anja Bräger ist gerade im besten Tiefschlaf, als sie plötzlich
von ihrem Alarmpiepser mit einem schrillen Ton aufgeweckt wird. Noch völlig
benommen und schlaftrunken nimmt sie die Durchsage wahr: „Leitstelle Rosenheim,
Einsatz für die Hundestaffel – Vermisstensuche!“.
Jetzt heißt es zuerst den
Einsatzort mit der Rettungsleitstelle abklären, schnell die bereitgelegten
Einsatzkleidung anziehen, Ausrüstung umschnallen, den Rettungshund wecken und
mit dem Auto unter Beachtung „Sicherheit vor Schnelligkeit“ zum vereinbarten
Treffpunkt fahren.
Anja Bräger (49), examinierte Anästhesie-Krankenschwester,
lebt mit Ihrem Ehemann, Ihrem 13-jährigen Sohn und 2 Hunden in Maxlrain. Ihre
Tochter (22) studiert und lebt in München.
In Aurich, Ostfriesland,
aufgewachsen, führte sie ihr Lebensweg nach Oberbayern.
2006 machte sie sich als OP- und
Anästhesie-Schwester selbstständig und arbeitete, je nach Anforderung, in
Kliniken und Krankenhäusern im Landkreis Rosenheim und München.
2004 kam der erste Australien
Shepherd „Moritz“ zur Familie. Seit 2007 ist sie im Besitz einer liebenswerten Australian
Shepherd-Hündin (Emmy). 2012 brachte Emmy sieben Welpen zur Welt. Kurz nach der
Geburt der Welpen musste Moritz eingeschläfert werden. Es dauerte nicht lange,
bis in der Familie der Entschluss viel, einen dieser Welpen zu behalten.
Schnell war sich die Familie über
die Namensgebung für diesen verschmusten Welpen einig. Der kleine Rüde sollte
„Oskar“ heißen. Dies deshalb, da einer seiner ersten selbständigen Wege direkte
zum Mülleimer führte, so wie Oskar aus der Sesamstraße, der in einer Mülltonne
lebt. Die Familie Bräger war sich sofort einig: Ihr Welpe muss „Oskar“ heißen.
In den ersten drei Monaten seines
jungen Lebens entwickelte sich der temperamentvolle Oskar prächtig. Aufgrund
ihrer Kontakte zu den Maltesern stellte sich Frau Bräger mit Oskar bei der
Malteser Rettungshundestaffel (RHS) vor.
Oskar
im Alter von 3 Monaten Foto: Bräger
|
Bei Ihrem noch sehr jungen Aussie
(Abkürzung für Australian Shepherd) konnte schon nach kurzer Zeit von den
Trainern festgestellt werden, dass Oskar die besten Voraussetzung für einen
Rettungshund mitbrachte. Er ist temperamentvoll, lernfreudig und gut
motivierbar. Außerdem verfügt er über einen ausgeprägten Spieltrieb. Diese
Eigenschaften sind grundlegend für eine spätere Ausbildung zum Rettungshund
(RH).
Aber nicht nur die geforderten
Voraussetzungen für den Hund müssen erfüllt werden, auch der Hundeführer muss
bestimmte Voraussetzungen erfüllen.
Unter anderem benötigt er viel
Idealismus, um auch bei Wind und Wetter mit seinem Hund zu arbeiten, Freude an der
Teamarbeit, die Bereitschaft sich ehrenamtlich zu engagieren und Menschen in
Not zu helfen und nicht zu Letzt muss er physisch und psychisch stabil und
belastbar sein.
Nachdem alle Voraussetzungen für
Oskar und Anja Bräger erfüllt waren, stand einer Ausbildung zum Rettungshund „Fläche“
nichts mehr im Wege. Ab sofort hieß es für Oskar und sein Frauchen: trainieren,
trainieren und nochmals trainieren.
Zunächst musste Oskar in einer
Hundeschule lernen, die wichtigsten Anweisungen seines Hundeführers zu verstehen
und zu befolgen. Dies fiel ihm in den meisten Fällen leicht.
Jeder Hundeführer ist für die Gehorsamsausbildung
seines Hundes selbst verantwortlich.
Bereits mit 15 Monaten hat Oskar
die Begleithundeprüfung in der Hundeschule erfolgreich abgelegt.
Jetzt begann für Oskar die
Ausbildung zum Rettungshund.Das Ziel der Ausbildung sollte
die Prüfung zum RH „Fläche“ sein. Der
Hund muss mit seinem Hundeführer Flächen im Gelände (z.B. Wälder, Wiesen,
Felder) in einem vorher abgegrenzten Bereich (ca. 30.000 – 50.000 m2)
absuchen, um vermisste Personen zu finden.
Weiterhin gibt es den Fachbereich
„Trümmer“. Hunde mit dieser Ausbildung werden im Bereich von Erdbeben oder
sonstig eingestürzte Gebäude (z.B. Einsturz der Eislaufhalle am 02. Januar 2006
in Bad Reichenhall) eingesetzt.
Bei Oskars Ausbildung wird die
Freude am Stöbern und Suchen gefördert. Damit der Hund seinen Spaß daran nicht
verliert, wird er immer belohnt. Diese „positive Verstärkung“ erhält er in
jedem Fall, gleichgültig ob seine Aufgabe zum Erfolg führte oder nicht. Die
Belohnung kann sehr unterschiedlich ausfallen. Zum Einen kann es sein Lieblingsleckerli
sein, zum Anderen ein heißgeliebtes Spielzeug, das je nach Hund unterschiedlich
ist. Es zählt nur der Erfolg mit positiver Verstärkung durch Belohnung!
Bei der RHS der Malteser in
Neckar-Enz legte Oskar mit seiner Hundeführerin, Anja Bräger, im April 2015 die
Prüfung zum Rettungshund „Fläche“ mit Bravour ab.
Nach bestandener Prüfung: Erkennungsmarke „Rettungshund“ |
Die Durchfallquote bei der
praktischen Prüfung liegt bei ca. 60%. Dies lässt auf die hervorragenden
Leistungen eines jeden aktiven Rettungshundes schließen.
Als äußeres Erkennungszeichen für
den erfolgreichen Abschluss darf der Hund nun die Erkennungsmarke „Malteser
Rettungshund“ tragen.
Alle 18 Monate muss diese Prüfung
für den Rettungshund und seiner Hundeführerin wiederholt werden.
Aber auch der Hundeführer ist zur
Fortbildung verpflichtet. Grundsätzlich sind als Ausbildungsinhalte folgende Bereiche
zu absolvieren: Die Ausbildung zum Einsatzsanitäter (mindestens 80
Unterrichtsstunden), die Bereiche Technik – Sicherheit – Logistik,
Funkausbildung, die Kynologie (Lehre von Hunderassen, Zucht, Pflege, Verhalten,
Erziehung und Krankheiten von Hunden), Orientierung im Gelände (der Umgang mit
Kompass, Karte und GPS) und die Betreuung von Personen nach Katastrophen oder großen
Schadensereignissen. Dies sind die Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen
Einsatz.
Im Interview erzählte mir Frau
Bräger von einigen bemerkenswerten Einsätzen.
Einer ihrer schönsten Einsätze
war ein abendlicher Einsatz am Chiemsee. Sie wurde mit Oskar und zwei weiteren Rettungshundeteams
zur Suche nach einer vermissten Person gerufen. Der abzusuchende Bereich für einen
der drei Malteser Rettungshunde war ca. 40.000 m2 groß und befand
sich in einem Waldgebiet. Nach ca. 50 Minuten hatte einer der Rettungshunde die
Person lebend gefunden. Sie wurde vom Suchteam erstversorgt und der Polizei und
dem Rettungsdienst übergeben.
Einer der gefährlichsten Einsätze
war für Frau Bräger und ihrem Aussie eine Personensuche im Bereich der
Ortschaft Ainring im Lkr. Traunstein. Das Suchgebiet lag in einem sehr
unwegsamen Waldgebiet an einem äußerst steilen Berghang. Für die Hundeführer war
dieses Gelände sehr gefährlich. Sie mussten teilweise auf allen Vieren den rutschigen
Hang erklimmen, dabei den Hund beobachten und gleichzeitig nach der vermissten
Person suchen. Trotz langer und anstrengender Suche verlief der Einsatz
erfolglos. Erst ein hinzu gerufener Mantrailer- Hund fand die Person. Leider kam
jede Hilfe zu spät.
Bei dem schweren Zugunglück in
Bad Aibling Faschingsdienstag 2016, waren die Malteser Hundeführer,
zur Betreuung der leichtverletzten und traumatisierten Fahrgäste eingesetzt.
Für alle Helfer eine psychisch sehr belastende Aufgabe.
Auch zur Betreuung von
ankommenden Flüchtlingen halfen die Hundeführer der Rettungshundestaffel in der
Anfangsphase bei der Bundespolizei tatkräftig mit.
Die RHS steht 365 Tage im Jahr 24
Stunden am Tag zur Verfügung. Häufig sind die Einsätze spät am Abend oder
mitten in der Nacht. Aber auch tagsüber kommt es zu Suchaktionen. Meist werden
demente oder suizidale Personen sowie Kinder vermisst.
Im vergangen Jahr musste die
Malteser Rettungshundestaffel Rosenheim insgesamt 37 Mal zur Personensuche
ausrücken, im Durchschnitt alle zehn Tage.
Zu Einsätzen, bei denen die
Polizei nach Straftätern sucht, werden die Hunde der RHS nicht gerufen. In
solchen Fällen müssen speziell ausgebildete Polizeihunde ihr Können beweisen. Für
die Hundeführer der RHS wäre dies ein zu großes Risiko.
Die Anforderung der
Rettungshundestaffel erfolgt grundsätzlich durch die Polizei und der alarmauslösenden
Integrierten Leitstelle (ILS) Rosenheim.
In der Regel ist eine
Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, wie z.B. Feuerwehr, Polizei,
Rettungs- und Polizeihubschrauber mit Wärmebildkamera sowie anderen
Rettungshundestaffeln erforderlich.
Wie auch der Hundeführer hat der
Rettungshund eine ganz spezielle Ausrüstung. Bei einem Einsatz trägt der Hund
eine reflektierende Kenndecke mit der Kennung „Malteser“, an der auch ein
Glöckchen und ein rotes Licht angebracht sind. Dies ist zum Schutz des Hundes erforderlich,
damit andere Personen, die an der Suchaktion beteiligt sind, den Hund als
Rettungshund zweifelsfrei erkennen.
Ferner trägt der Hund ein Befreiungshalsband
mit integrierter Leine, das vom Hundeführer mit einem Klick geöffnet werden
kann.Jeder Hundeführer trägt beim
Einsatz einen Helm mit Stirnlampe und einen Einsatzrucksack mit einer
Erste-Hilfe-Ausrüstung sowie einer kleinen Verpflegung für den Hundeführer. Die Tätigkeit als Hundeführer ist
ein Ehrenamt.
Ab 16 Jahren kann man Mitglied in
der Rettungshundestaffel werden. Eine Prüfung mit seinem Hund ist jedoch erst mit
18 Jahren möglich.
Natürlich gibt es auch Hunde, die
nicht als Rettungshund geeignet sind. Hier kann aber auch ein anderes
Einsatzgebiet genau das Richtige für diesen Hund sein. Es gibt viele
Möglichkeiten. Leider in Süddeutschland nicht so sehr verbreitet sind
Therapiehunde, die sich mit ihren Hundeführern in Krankenhäuser begeben, um
hier schwer und schwerstkranke Kinder zu besuchen, um diese für ein paar
Stunden ihre Krankheit vergessen zu lassen. Auch Besuchshunde, die in
Altenheimen oder Kindergärten eingesetzt werden, um hier ältere Menschen eine
Abwechslung im Alltag zu bieten und Kindern den „Hund“ näher zu bringen.
Sehr ruhige und kinderfreundliche
Hunde können dafür eingesetzt werden, dass der Hund zu Kindern mit Leseschwäche kommt, sich zu ihnen
„setzt“ und die Kinder dem Hund Geschichten vorlesen. Es gibt Erfahrungswerte,
die zeigen, dass diese Kinder dadurch schneller und besser lesen lernen. Ein
Hund verbessert das Kind nicht, ein Hund hört einfach nur zu, im Gegensatz zu
uns Menschen.
Die Malteser RHS ist im
Ferienprogramm von Raubling, Brannenburg und Rohrdorf aktiv. An einem Tag in
den Ferien sind sie mit einer Tierärztin vor Ort und zeigen den Kindern, wie
man sich einem Hund annähert, ihn richtig streichelt und mit ihm spielt. Ein
abschließendes Suchspiel (verstecken)
mit dem Hund ist immer das Highlight des Tages für alle Kinder. Auch für Essen
und Trinken wird durch die RHS gesorgt.
Auf die Frage an Frau Bräger,
welches ihre Ziele und Wünsche für die Zukunft sind, antwortet sie wie aus der
Pistole geschossen:
Ihr größter Wunsch ist, dass ihr
oder ein anderer Hund keinen Giftköder aufnimmt. Vor dieser Gefahr ist auch ein
„Lebensretter auf vier Pfoten“ nicht gefeit. Alle Rettungshunde suchen im
Einsatz selbständig und somit ohne Leine im Gelände. Niemand kann garantieren,
dass ausgelegte Giftköder rechtzeitig erkannt und somit nicht aufgenommen
werden. Ein aufgenommenes Gift hat fatale Folgen: Der Hund, der zum
Lebensretter wird, benötigt nun selbst einen Lebensretter, um nicht qualvoll sterben
zu müssen.
Weiterhin wünscht sich Anja
Bräger, dass sie noch lange Zeit mit ihrem Oskar viele Einsätze bewältigen
kann, denn es ist für beide eine sinnvolle, abwechslungsreiche und
befriedigende Beschäftigung. Anderen zu helfen ist eine wunderbare Aufgabe.
Tipps für Menschen, die sich einen Hund anschaffen wollen:
Tipps für Menschen, die sich einen Hund anschaffen wollen:
- Machen sie sich Gedanken über die Rasse. Passt der Hund zu mir/meiner Familie?
- Kann ich seinen Bedürfnissen gerecht werden?
- Ich bin berufstätig. Wie lange muss der Hund allein bleiben?
- Kaufen sie nur einen Hund von einem seriösen Züchter. Hilfe geben die bundesweiten Hundevereine.
- Fragen sie im Tierheim nach einem passenden Hund für sie. Die Mitarbeiter helfen ihnen gerne weiter.
- Eine Hundeschule ist unbedingt aufzusuchen, um mindestens die Grunderziehung und die Sozialisierung des Hundes richtig zu machen. Dies stärkt die Bindung zwischen Hundebesitzer und Hund. Ein lebenslanges Vertrauen ist damit vorprogrammiert.
- Denken sie auch an die Kosten für Hundeschule, Tierarzt, mögliche Operationen und ähnliches.
- Lassen sie immer ihren Hund „Hund“ sein. Das bedeutet für den Hund freies herumtoben, spielen, rennen etc.
- Denken Sie auch daran, dass der Hundekot stets zu beseitigen ist. Durch diese kleine Maßnahme verhindern Sie, dass sich andere hierrüber ärger müssen. Ein harmonisches Miteinander ist so vorprogrammiert.
Text und Fotos (wenn nicht anders angegeben) von Dieter Karlowsky
Dieser Artikel wurde bereits in der "Freien Gemeindezeitung Tuntenhausen" veröffentlicht.
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